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626 Tonnen CO2 im Meer versenkt – mit Nachweis
Das war eine Weltpremiere.

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626 Tonnen CO₂ im Meer versenkt – mit Beweis

Quelle: Planetary
Weltpremiere an der kanadischen Küste: Das Startup Planetary hat erstmals nachweislich 626 Tonnen CO₂ aus der Atmosphäre gefischt – mithilfe des Ozeans. Den Prozess überwachten die unabhängigen Drittorganisationen Isometric und 350 Solutions und zertifizierten die Entnahme. Shopify, British Airways und Stripe kauften die Zertifikate.
Warum das wichtig ist
Die Klimaziele sind nur erreichbar, wenn die Menschheit bereits ausgestoßenes CO₂ wieder aus der Atmosphäre entfernt. Bisher ist völlig unklar, wie das im großen Maßstab dauerhaft gelingen kann.
Startups, NGOs und Behörden testen weltweit Dutzende Methoden, die von Biokohle über Luftfilterung bis zu Renaturierung bzw. Aufforstung reichen. Jede dieser Methoden hat derzeit noch ungelöste technische und praktische Probleme.
So kann etwa Aufforstung allein das Problem nicht lösen, weil es dafür die Landfläche von Indien bräuchte. Die technische Luftfilterung wiederum ist teuer. Eine Testanlage von Climeworks auf Island hat im Betrieb mehr CO₂ produziert als entnommen.
Zudem gibt es bisher kein weltweit wirklich verlässliches System, um die dauerhafte Entnahme von CO₂ abzusichern. In den vergangenen Jahren zeigten Recherchen von Journalisten, dass viele CO₂-Zertifikate wertlos sind.
Wie OAE funktioniert
Ocean Alkalinity Enhancement nutzt grundlegende natürliche geochemische Prozesse der Erde:
Gestein verwittert, setzt Mineralien frei, die Flüsse und Regen in die Meere tragen.
In den Meeren erhöhen die Mineralien die sogenannte Alkalinität. Diese gibt an, wie viel Säure das Wasser binden kann.
Je mehr Säure das Wasser binden kann, desto mehr CO₂ kann es aufnehmen.
Denn CO₂ löst sich im Wasser zu instabiler Kohlensäure (H₂CO₃), die danach weiter zerfällt. Die dabei frei werdenden Wasserstoff-Ionen führen zur Versauerung der Meere – außer sie werden gebunden.
Basisch wirkende Ionen aus den Mineralien können die sauren Wasserstoff-Ionen aufnehmen und das CO₂ in langfristig sehr stabilen Bindungen speichern.
Dieser Prozess läuft in der Natur über Millionen Jahre und quasizufällig ab. Gibt man gezielt mineralische Ionen ins Meer, lässt er sich beschleunigen.
Welche Methode Planetary konkret nutzt
Das Startup setzt auf bereits erprobte industrielle Infrastruktur. Es leitet Magnesiumhydroxid Mg(OH)₂ über Kläranlagen ins Meer. Dadurch müsse nach Aussage der Firma keine zusätzliche Infrastruktur gebaut werden. Außerdem kann es die bereits bestehenden Genehmigungen und Messverfahren der Anlagen verwenden.
Wer mal Sodbrennen hatte, hat eventuell schon Magnesiumhydroxid gegessen. Es ist Teil einiger entsprechender Medikamente. Die Industrie nutzt es aber auch als Trennmittel in Lebensmitteln oder um stark saure Abwässer zu neutralisieren. Die Herstellung kann aus Dekarbonisierungssicht problematisch sein. Denn entweder wird es aus Meerwasser gewonnen – was dessen CO₂-Aufnahmefähigkeit verringert. Oder aber das Mineral Magnesit wird erhitzt, wobei CO₂ freigesetzt wird.
Wie die CO₂‑Entnahme von Planetary verifiziert wurde
Die Messung erfolgte in drei Schritten:
Direkte Messungen vom Boot aus
Kontinuierliche Überwachung am Ausfluss der Rohre
Zusätzliche Kontrolle durch verankerte Bojen
Diese Messungen ergaben zunächst 900 Tonnen gebundenes CO₂. Die vollständige Methodik hat Planetary öffentlich dokumentiert.

Quelle: Isometric
Um die endgültig entnommene CO₂-Menge zu berechnen, hat Planetary in einem Life-Cycle-Assessment geschätzt, wie viel CO₂ das Projekt selbst ausstößt. Ein Sicherheitspuffer von knapp 100 Tonnen wurde zusätzlich abgezogen. So ergibt sich die Netto-Summe von 625 Tonnen. In einem Report auf der Isometric-Webseite findest du mehr technische Details (PDF).

Quelle: Isometric
Welche prinzipiellen Vor- und Nachteile OAE bietet
Planetary bewirbt seine Methode mit geringem Platzbedarf und Energieeffizienz:
Auf einer Fläche von nur 3.200 Quadratmetern entfernt unsere Anlage dreimal so viel CO₂ wie die größte Direct Air Capture-Anlage und benötigt dabei nur 8 % der Fläche. Der Stromverbrauch der Anlage beträgt weniger als 10 kWh/tCO₂, was sie zu einer der energieeffizientesten Lösungen zur Kohlenstoffabscheidung auf dem Markt macht.
Allerdings hat die Methode im Vergleich auch entscheidende Nachteile. Noch sind etwa ökologische Langzeitfolgen unklar. Gleichzeitig bleibt die Messbarkeit in einem Ozean im Vergleich zu einer industriellen Anlage eine Herausforderung.
🍏 Was ich denke
Das Pilotprojekt von Planetary ist bedeutender als die 626 Tonnen CO₂ vermuten lassen.
Denn bei allen Methoden zur CO₂‑Abscheidung gilt gerade: Je mehr, desto besser. DAC, BECCS, OAE und sicher gibt es noch ein Dutzend andere Abkürzungen, die für ebenso viele verschiedene Methoden stehen.
Jede einzelne kann ein Puzzleteil im großen Rätsel sein, das die Menschheit gerade zum ersten Mal lösen muss: Wie bekommen wir utopisch große Mengen eines winzig kleinen Gases aus der Luft heraus?
Die Aufgabe ist so gigantisch, dass tatsächlich jedes Experiment und jeder Pilotversuch gerade gebraucht werden. Wir haben schlicht noch keine Ahnung, was funktioniert, und erst recht keine Ahnung, was im großen Stil funktioniert.
Nun wurde bei einer ozeanbasierten CO₂-Abscheidungsmethode der gesamte Prozess transparent dokumentiert und von unabhängiger Seite verifiziert. Das klingt technisch, ist aber neu für den CO₂-Markt.
Denn bisher scheitert großflächige CO₂-Entnahme nicht nur an der Technik, sondern vor allem an zwei anderen Faktoren:
Finanzierung: CO₂-Abscheidung ist teuer und braucht zahlungswillige Abnehmer für die Zertifikate.
Vertrauen: Diese Abnehmer gibt es nur, wenn die Zertifikate auf verlässlichen Messdaten basieren.
Planetary hat nun einen wichtigen ersten Schritt gemacht, um zumindest das Vertrauen in die Zertifikate zu vergrößern.
Aber die Zahlen und die Zertifikate gaukeln eine Sicherheit vor, die es bei natürlichen Abscheidungsmethoden nicht gibt. Niemand, auch nicht Planetary, kann mit letzter Sicherheit den Einfluss natürlicher Prozesse auf die CO₂-Abscheidung bestimmen. Das ist kein Problem, solange wir es mit Playern zu tun haben, die nur Gutes im Schilde führen und entsprechend großzügige Puffer in ihre Berechnungen aufnehmen.
Aber die Skandale der Vergangenheit zeigen: Ab einem gewissen Punkt kommen immer die Betrüger. Gegen sie könnte das Planetary-/Isometric-System wohl (noch) nichts ausrichten.
Fazit: Die Methode ist vielversprechend, aber für den breiten Einsatz noch nicht reif. Firmen sollten diese Zertifikate noch nicht für ihre Klimaziele einsetzen. Erst müssen die Messmethoden noch präziser, die Kontrollen noch strenger werden.
👉️ Steige tiefer ein
2023 zeigte diese Zeit/Guardian-Recheche, wie mit CO2-Zertifikaten betrogen wurde; zuletzt stellten sich Zertifikate aus China als wertlos heraus
“The Case for Carbon Dioxide Removal”, eine Einführung in die Thematik (2023)
“Scaling Carbon Removal”, sehr theoretisches, aber gründliches Framework
Die guten Links
Deep Dives, die deine Zeit wert sind.
🐫 Ja, warum bauen wir denn nicht einfach einen riesigen Solarpark in der Sahara? Die Antwort gibt Breaking Lab auf Youtube: Wüstensolarparks bringen hohe Netzausbau‑ und Übertragungsverluste, weil Strom tausende Kilometer nach Europa transportiert werden müsste. Das ist zudem sehr teuer. Auch Sand, Hitze und Wartungsaufwand nagen an der Performance – Module verschmutzen, Wärmeeintrag drosselt Ertrag. Und dann, naja, hätten wir die Abhängigkeit von dem einen autokratischen Petro-Regime gegen das andere autokratische Solar-Regime getauscht.
💫 Peter Sainsbury von Carbon Risk: Europa hat aus dem CO₂-Preisabsturz der Finanzkrise gelernt – aber nicht genug.
⛽️ Die Müllverbrennungsanlage in Zella‑Mehlis (RABA) plante, CO₂ aus Abgasen mit grünem Wasserstoff zu Methanol umzuwandeln, um Öl‑abhängige Prozesse zu ersetzen. Das Projekt scheiterte, weil die Kosten von 23 Mio. auf über 80 Mio. € explodierten – vor allem Elektrolyseur und Aminwäsche wurden zu teuer. Hanno Böck bei Golem hat die Details.
📗 Für die Bookmarks: Wer Technology Readiness Level von Grund auf verstehen will, ist bei diesem Factsheet von Science Media Center genau richtig.
Die wichtigen News
Nachrichten, über die die Branche gerade spricht.
☀️ Solarenergie
Hälfte des Photovoltaik-Zubauziels von 215 Gigawatt bis 2030 erreicht (pv-magazine)
Repowering: Doppelte Photovoltaik-Leistung auf derselben Fläche (pv-magazine)
Solarboom würgt Windkraft ab: Niedrige Strompreise setzen dem Offshore-Zubau ein Ende (n-tv)
Deutsches Hochhaus erzeugt massig Solarstrom: Die Module sind fast unsichtbar (Chip)
Zurndorf bekommt zweitgrößte Dach-Solaranlage Österreichs (ORF)
Solareinspeisung drückt Strompreis auf Jahrestief (ZfK)
🔋 Batterietechnologie
Redwood Materials baut Rekord-Speicherprojekt mit gebrauchten Batterien (Canarymedia)
Northvolt: Erstes Übernahmeangebot nach Insolvenz in Schweden eingegangen (Manager Magazin)
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🧪 Wasserstoff
Bremen-Projekt-Crash zeigt anfällige Kalkulation hinter Deutschlands grünem Wasserstoff (Energynews)
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Norwegische Wasserkraft stabilisiert Europas Stromnetz (Golem)
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📈 Markt & Politik
Trumps „Big, Beautiful Bill“ wäre Desaster für saubere Energie (Canarymedia)
Elon Musk kämpft um Teslas Emissionszertifikate-Geschäft (Golem)
Jobs & Deals
💶 Avoltra, Nürnberg, €2,3 Millionen in einer Pre‑Seed‑Runde, angeführt von Project A. 3 offene Stellen.
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👉️ Für Arbeitnehmer: Diese Liste von Portalen für grüne Jobs hilft beim Suchen.
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Rico Grimm

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