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Aber China...
Warum ein altes Anti-Klimaschutz-Argument dringend ein Update braucht.
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Wir werfen in dieser Woche einen kurzen Blick nach China. Den von dort kommen mutmachende Nachrichten. Zum ersten Mal sinken die CO₂-Emissionen des Landes strukturell. Sollte sich dieser Trend verstetigen, wäre das die wichtigste klima- und energiepolitische Story des Jahres.
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Warum ein altes Anti-Klimaschutz-Argument dringend ein Update braucht
China hat zum ersten Mal seine CO₂-Emissionen (ohne Landwirtschaft) gesenkt. Das zeigt eine neue Analyse des Fachportals Carbon Brief. Gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres waren die chinesischen Emissionen 1,6% niedriger als im Vorjahr.
Die Grafik zeigt das Plateau, das sich bildet:

Ich gebe zu: Dieses Mini-Plateau sieht nicht sonderlich spektakulär aus. Es könnte nur eine kleine statistische Anomalie sein oder die Folge einer Rezession im Land sein. Aber genau diese beiden Begründungen lassen sich ausschließen.
Erstens sehen wir auf dem Chart drei echte Wirtschaftskrisen und ihre Folgen für die Emissionen. 2015/2016 während des ersten Zollkonflikts mit den USA, 2020 während der Pandemie und ab 2021, als in China eine tiefgreifende Immobilienkrise begann. Die Emissionen brachen jeweils stärker ein als in den vergangenen zwölf Monaten.
Zweitens zeigen die Daten ein differenzierteres Bild für die einzelnen Bereiche der chinesischen Wirtschaft. Gerade, dass eben nicht alle Sektoren einseitig eingebrochen sind, spricht dafür, dass wir es möglicherweise mit dem Beginn eines nachhaltigen Trends zu tun haben.
Es gibt nur einen einzigen Grund für diese erfreuliche Nachricht: Chinas Zubau an Erneuerbaren. Die Emissionen im Energiesektor sind um mehr als 4 Gigatonnen im Vergleich zum Vorjahr gefallen (unterste Zeile). Das reicht, um die Emissionssteigerungen in anderen Industriebereichen mehr als auszugleichen.

Diese Nachricht ist doppelt interessant. Denn ja, China hat Erneuerbare in großem Tempo zugebaut. Gleichzeitig hat es aber Jahr für Jahr auch neue Kohlekraftwerke ans Netz genommen, allein im Jahr 2024 begannen die Bauarbeiten für mehr als 90 Gigawatt neuer Kohlekraftwerke (Wind und Solar: 356 GW).
Wie passt das alles zusammen?
Das Jahr 2024 könnte eine Wegscheide gewesen sein. Denn die Regierung genehmigte kaum 10 GW an neuen Kohlekraftwerken.
Und all die neuen Kohlekraftwerke laufen nicht mehr so oft wie früher. Das bedeutet, wie Hannah Ritchie schrieb, dass „China zwar mehr Kohlekraftwerke baut, aber weniger Kohle verbrennen könnte.“
Seit zwei Jahrzehnten sinkt die Stundenzahl, in denen Chinas Kohlekraftwerke laufen (durchgezogene graue Linie). Die Grafik hier endet im Jahr 2016 bei mehr als 3500 Stunden pro Jahr.
Die letzte aktuelle Zahl, die ich gefunden habe, beträgt 1443 Stunden!

Quelle: Voxeu
China baut mehr Kohlekraftwerke, als es braucht. Das kann militärstrategische Gründe haben, wie ich vor ein paar Wochen beschrieben habe, oder lokalpolitisch-ökonomische. Der genaue Grund ist aber egal, denn das Ergebnis ist eindeutig: die chinesische Wirtschaft elektrifiziert sich rasant und ist dabei aus einem gewissen Blickwinkel bereits weiter als Europa.
Die Pro-Kopf-Strom-Nachfrage Chinas (grün) hat jene Europas (rot) überholt. Zugegeben, Stromverbrauch pro Kopf ist ein kruder Indikator, aber die Trends sind so eindeutig, dass sie erwähnenswert sind.

Quelle: Ember
Da aber eben Kohle noch immer so eine große Rolle spielt, muss China weiter zügig Erneuerbare ausbauen, will es seine Klimaziele erreichen. In der Chemieindustrie steigt der Kohleverbrauch. Von den elektrischen, sauberen Alternativen ist kaum etwas zu sehen.
Und dennoch gilt das alte „Aber China….!“-Argument gegen mehr Klimaschutz nicht mehr. Jahrzehnte wurde deutschen Klimaschützern ja vorgehalten, dass es überhaupt nichts bringe, in Deutschland das Klima zu schützen, wenn China weiter verschmutzt. Dieses Argument war noch nie stichhaltig. Jetzt ist es auch noch falsch.
Ein Anfang ist also gemacht. Wer in der nächsten Diskussion mal etwas überraschen will, beginnt seine Argumentation so: „Ja, wir müssen auch nach China gucken. Denn dort geht es voran.“
Die guten Links
Deep Dives, die deine Zeit wert sind.
🏙️ Schöne Reportage einer ostdeutschen Pioniergemeinde, die schon früh Strom, Speicher und lokales Netz (!) selbst betrieb: „Warum dieses Dorf nur zwölf Cent für Strom bezahlt“ (€)
💫 Climatetech-Start-ups wollen Produkte verkaufen, genauso wie alle anderen Start-ups. Sie glauben jedoch, dass sie einen Vorteil haben, weil sie etwas Gutes tun. Das stimmt, kann aber beim Verkaufen dieser Produkte nicht der entscheidende Faktor sein. Dieser wirklich hervorragende Text analysiert die Messaging-Strategie verschiedener Start-ups und bietet eine Vorlage für alle, die etwas im Bereich Klima verkaufen wollen, um das Produkt besser zu beschreiben. Sehr hilfreich. Unter anderem erhält auch die deutsche Firma Dunia.ai Feedback.
🏗️ Bauen mit 70% weniger Emissionen? Wird jetzt realistischer. Zum ersten Mal ist in Deutschland in einem größeren Projekt zementfreier Beton zum Einsatz gekommen. Klimareporter hat die Details.
📲 Kleiner, praktischer Überblick, um einen ersten Einstieg in das Thema Smart Meter zu bekommen (als Verbraucher).
♻️ Das ist eine sehr interessante Kritik am Degrowth-Konzept, weil sie zentrale Argumente aufnimmt und bestätigt, aber gleichzeitig differenziert genug ist, um mit originellem Blick eine Schwachstelle dieser Bewegung zu identifizieren: Degrowther verkennen, dass wir Unmengen an Sonnenenergie brauchen werden, um die materielle Welt immer wieder neu zu organisieren. Wenn wir Minen schließen wollen, müssen wir recyceln. Um zu recyceln, brauchen wir viel Energie. Diese Energie müssen wir vor allem durch Solarenergie erzeugen, weil diese außerplanetarisch ist und nicht aus dem Erdsystem selbst gewonnen wird. Also müssen die Solarbranche und die Recyclingbranche wachsen. Die Beobachtung stammt von einem selbst ernannten Ökosozialisten, und ist die Bestätigung für eine These, die seit Marx gilt. Wer den Kapitalismus wirklich verstehen will, muss lesen, was seine Gegner schreiben. Sie sind bessere Analysten als die Leute von Goldman und der Deutschen Bank.
Die wichtigen News
Nachrichten, über die die Branche gerade spricht.
☀️ Solarenergie
Nordrhein-Westfalen fördert wieder Agri- und Floating-Photovoltaik-Anlagen außerhalb des EEG (PV-Magazine)
Solarmodule mit vertikaler Ausrichtung sind effektiver (Golem)
🔋 Batterietechnologie
Natrium-Schwefel-Akkus sollen kommerziell hergestellt werden (Golem)
In der Schweiz wird jede zweite Solaranlage mit einem Speicher installiert (ErneuerbareEnergien)
🌬️ Windenergie
⚡ Netztechnologien
Elektroautos und Wärmepumpen können jährlich 110 Stunden mit negativen Strompreisen vermeiden helfen (PV-Magazine)
Strombörse: Viertelstundentakt verschiebt sich deutlich (Heise)
Erstmals negative Netto-Strompreise für Endkunden (PV-Magazine)
🛢️ CO₂-Abscheidung & Speicherung
⚛️ Atomkraft & Kernfusion
Belgien macht den Atomausstieg rückgängig und plant neue Reaktoren (n-tv)
🧱 Baustoffe & Zement
Restrukturiertes Holz ist so robust wie Stahl und Kohlenfaser (Golem)
♻️ Plastik & Recycling
Bakterium produziert biologisch abbaubares Spülmittel zur Ölverdauung (Chemie)
🍽️ Ernährung & Umwelt
Erste kommerzielle E-Methanol-Produktion startet mit LEGO als Kunden (Golem)
📈 Marktentwicklungen & Politik
China erteilt erste Exportlizenzen für seltene Erden (Golem)
USA könnten Rohstoffbedarf aus toxischem Grubenwasser decken (Golem)
Potenzialatlas zeigt attraktive Standorte für Elektrolyseure auch fern der Küste (PV-Magazine)
Geheime Kommunikationsgeräte in chinesischen Wechselrichtern entdeckt (Reuters)
Stromausfall in Spanien begann in Granada, Badajoz und Sevilla (Reuters)
Jobs…
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Der letzte Link
Welches Land der Welt hat den höchsten Solaranteil im Strommix? Hätte mich jemand zehnmal raten lassen, hätte ich zehnmal falschgelegen.
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👋 Édith Piaf? Afrobeats? Ja, warum denn nicht.

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