Hi Cleantechie!

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Diese Woche wende ich mich wieder einem Mythos zu. Das werde ich jetzt regelmäßiger machen, damit ihr Rüstzeug für die Debatten mit Kollegen, Nachbarn und Verwandten habt.

tl;dr – Nicht hohe Energiepreise haben in die Rezession geführt, sondern wegbrechende Nachfrage, vor allem aus China.

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Der Mythos

Seit drei Jahren steckt Deutschland in einer Rezession, und für manche Beobachter ist es eindeutig, warum Deutschlands Wirtschaft schwächelt:

  • “[…] der größte Fehler aller 🇩🇪Manager ist 20 Jahre alt: Sie sind Energiewende & Atomausstieg als root cause der Deindustrialisierung nicht in den Arm gefallen.” (Anna Veronika Wendland, Technikhistorikerin)

  • “25 Jahre Erneuerbaren-Glaube 🙏🏻 haben uns an den Rand der Deindustrialisierung und der Bezahlbarkeit von Energie gebracht.” (Daniel Eck, CDU-Mitglied)

  • “Verfehlte Energiewende und hohe Abgaben machen Deutschland zu einem unattraktiven Produktionsstandort.” (AfD Darmstadt)

  • “[Katherina Reiches] Realismus hätte Deutschlands Deindustrialisierung verhindern können.” (Axel Bojanowski, WELT)

Alle vertreten die gleiche These: Die Energiewende habe Strom verteuert und damit die aktuelle Schwäche der Wirtschaft ausgelöst.

Der Check

Wenn diese These stimmen würde, ließe sich eine klare Kausalkette finden: Erst steigen die Strompreise, dann schwächelt die Industrie und das löst eine Rezession aus.

Aber diese Kausalkette existiert in voller Länge nicht.

Denn die deutsche Wirtschaft kommt seit dem Jahr 2018 nicht mehr vom Fleck. Der Produktions­index des Statistischen Bundesamts misst die monatliche Leistung des Produzierenden Gewerbes in Deutschland.

Ein kurzer Blick verrät: Die deutsche Industrie sah ihr Hoch im Januar 2018.

Wäre die These korrekt, müssten wir in den Monaten nach diesem Hoch steigende Energie- und Strompreise sehen, die auf das verarbeitende Gewerbe durchschlagen.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft erhebt die Industriestrompreise. Weder 2018 noch 2019 oder 2020 stiegen sie merklich.

Die Strompreise sind nicht für die anfängliche Schwäche der deutschen Industrie verantwortlich. Etwas anderes war passiert.

Quelle: BDEW

Was geschah im Januar 2018?

Donald Trump führte die USA in einen Handelskrieg mit China. Er erließ Zölle auf Solarmodule, Waschmaschinen, Stahl und Aluminium. Damit endete eine lange Phase, in der sich China immer tiefer in die Weltwirtschaft integrierte.

Der Globalisierungsindex der ETH Zürich zeigt sogar, dass sich China (blau) in den Jahren nach 2018 etwas zurückzog. Gleichzeitig ist ein kleiner Einbruch bei Deutschland (grün) zu erkennen.

Aber im Jahr 2017 passierte noch etwas anderes: In diesem Jahr erreichten die Verbrennerverkäufe in China ihren Höhepunkt. Seitdem sind sie um 48 % gefallen. In den Jahren danach schrumpften die Marktanteile deutscher Autobauer in China.

Auch die Maschinenbauer verkauften immer weniger nach China (schwarz):

Quelle: Brad Setser

Deutschland erlebte beginnend ab dem Jahr 2018 seinen ganz eigenen China-Schock.

Seit dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation konnten deutsche Firmen dort zwar immer mehr Maschinen, Autos und andere Industrieprodukte verkaufen. China allerdings nutzte die Zeit, um eigene Produktionskapazitäten aufzubauen und in direkte Konkurrenz mit deutschen Firmen zu treten.

Deutschland war von China abhängig. Diese Abhängigkeit wurde zur Falle.

Nach dem Beginn des Ukraine-Krieges schnellten zusätzlich die Gaspreise in die Höhe und verteuerten so auch die Strompreise.

Diese Energiekrise verschärfte den Abschwung der deutschen Industrieproduktion, speziell der energieintensiven Betriebe in der Chemie- und Stahlindustrie. Allerdings war sie eben nicht durch die Energiewende ausgelöst, sondern durch den Angriffskrieg Russlands.

👉 Steige tiefer ein

  • “How German industry can survive the second China shock” (Link

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Die wichtigen News

Nachrichten, über die die Branche gerade spricht.

☀️ Solarenergie

  • Investorensuche von Meyer Burger gescheitert (Solarserver)

  • Warum ein winziger Defekt ein großes Problem für Perowskit-Zellen sein könnte (TechXplore)

🔋 Batterietechnologie

  • Palladio Partners und Voltfang wollen Großbatteriespeicher bauen (Solarserver)

  • Forschungsteam aus Münster prognostiziert europäischen Energiebedarf für Batteriezellproduktion (Chemie)

  • In Guben beginnt die Produktion von Rock Tech Lithium (rbb24)

  • Bayern will Wildwuchs bei Batteriespeichern beenden (pv-magazine)

  • Technologie zur Umwandlung von Industrie-Graphit in hochleistungsfähiges Batteriematerial (TechXplore)

🌬️ Windenergie

  • Höchstes Windrad der Welt steht jetzt in Deutschland (Tagesschau)

  • Nordex erhält subventionsfreien Auftrag für großen deutschen Windpark, abgesichert durch PPA mit Mercedes (Recharge News)

  • Hitachi-Energy-Chef über den fatalen Fehler, den man im volatilen Offshore-Windmarkt machen kann (Recharge News)

♨️ Geothermie

  • Heizen mit Wärme aus dem Sommer: Forschungsbohrung in Neuruppin gestartet (Zeit)

🧪 Wasserstoff

  • Erstmals Abwärme aus Wasserstofferzeugung als Fernwärme nutzbar (Energiezukunft)

  • Neue Kathode ist der Schlüssel zu verbesserter Energieeffizienz bei der Elektrolyse (TechXplore)

⚡ Netztechnologien

  • Ab Oktober: Der Strommarkt wechselt von stündlichen zu viertelstündlichen Strompreisen (Stadt Bremerhaven)

  • EU-Regulierungsbehörde: Netzbetreiber haben Vorteile der Aufteilung des einheitlichen deutschen Strompreises verschwiegen (Euractiv)

  • Octopus Energy gliedert seine Abrechnungs- und KI-Plattform Kraken für Versorgungsunternehmen aus (TechCrunch)

  • Speicherproblem gelöst: Solarspitze, Minuspreise und Redispatch verschwunden (pv-magazine)

🚗 Mobilität

  • Europas EV-Hersteller stehen Schlange bei Estlands neuem Seltenerdmagnet-Werk (Bloomberg)

  • BMW drückt Lade-Revolution durch und erhöht den Druck auf die Politik (Focus)

  • Europas Mobilitäts-Startups überholen die USA, zumindest beim Geld (Business Insider)

♻️ Plastik & Recycling

  • Exxon stoppt 100-Millionen-Dollar-Investitionen in Recycling aufgrund von EU-Vorschriften (Bloomberg)

📈 Markt & Politik

  • Siemens-Chef Busch: „Wir investieren, jetzt muss die Bundesregierung handeln“ (Handelsblatt)

  • Das steckt hinter dem Milliarden-Deal von RWE und Apollo (Handelsblatt)

  • Niedersachsen fordert mehr Hilfe für schwächelnde Stahlindustrie (NDR)

Jobs & Deals

💶 Biokunststoffe: Bioweg, Quakenbrück, €19 Millionen in einer Seed-Runde, Lead-Investor: Axeleo Capital. 9 offene Stellen.

💶 Agri-PV: Feld Energy, Pöcking, €10 Millionen in einer Seed-Runde, angeführt von Voyager Ventures. 22 offene Stellen.

💶 Energiehandel: Suena Energy, Hamburg, €8 Millionen in einer Series-A-Runde, angeführt von Santander InnoEnergy Climate Fund. 5 offene Stellen.

💶 Geothermie: Factor2 Energy, Duisburg, €9.1 Millionen in einer Finanzierungsrunde, Lead-Investor At One Ventures. 3 offene Stellen.

💶 Batteriespeicher: Terra One, Berlin, €150 Millionen in einer Finanzierungsrunde, angeführt von PT1 - Proptech1 Ventures. 7 offene Stellen.

👉 Für Arbeitgeber: Buche eine Stellenanzeige für dein Unternehmen hier.

👉 Für Arbeitnehmer: Diese Liste von Portalen für grüne Jobs hilft beim Suchen.

Der letzte Link

Warum reihen sich große Batteriespeicher entlang der Romantischen Straße auf? 🤷

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Rico Grimm

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