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Es geht diese Woche um Nordex.
Die Firma ließ sich im vergangenen Jahrzehnt leicht charakterisieren: „Baut Windräder, verdient damit kein Geld.“ Das aber scheint sich gerade zu ändern. Warum?
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Wie Nordex nach zehn Jahren Windboom mit Windrädern nun doch Geld verdient
Gestern hat Nordex neue Quartalszahlen vorgelegt: vor allem die steigende Marge begeisterte Anleger. Aktuell notiert die Aktie 11 Prozent im Plus.
Das sind gute Nachrichten, die bei einem Windradbauer selbstverständlich sein müssten. Eigentlich.
Aber bei manchen Aktien – das raten die Profis manchmal – brauche es „einen langen Atem“. Wie lang ist „lang“? 5 Jahre, 10 Jahre? Oder 18 Jahre, wie im Fall von Nordex?
Denn im November 2007 markierte die Aktie ein Hoch bei knapp 35 Euro und erreichte es nie wieder. Einigen Anlegern dürfte seitdem die Puste ausgegangen sein.
Wie kann der Aktienkurs eines Windradbauers so aussehen, wenn sich die installierte Windleistung nur in Deutschland seit 2007 mehr als verdreifacht hat?

Aktienkurs von Nordex.
Etwas muss bei Nordex sehr schiefgelaufen sein.
Das Unternehmen machte in den vergangenen zehn Jahren mehr als €1 Milliarde Verlust.
Wie Nordex fast nie Gewinn machte – und trotzdem nicht pleiteging
Im Rückblick lässt sich die Nordex-Misere sauber in drei Phasen einteilen:
2016–2018: Die Acciona-Übernahme zieht die Marge runter
Es ist das Jahr 2016. Die Geschäfte für Nordex laufen nach schwierigen Jahren wieder gut. Fast €100 Millionen Gewinn können die Norddeutschen vermelden. Gleichzeitig steht eine vielversprechende Übernahme der Windkraftsparte des spanischen Baukonzerns Acciona an.
Die beiden Unternehmen passten eigentlich gut zusammen: kaum überlappende Märkte, sich ergänzende Technik.
Aber „die ganz große Sache für Nordex“ (Zitat des damaligen CEO, Handelsblatt) erwies sich als ganz große Last.
Verschiedene Unternehmenskulturen und doppelte Strukturen machten die Übernahme zu einem unternehmerischen Martyrium. Im Ergebnis bedeutete das: Umsätze, Margen und Gewinne fielen, obwohl Projektierer immer mehr Windräder bei Nordex orderten.
2019-2021: Eine neue Nordex-Turbine erobert den Windmarkt – und Corona die ganze Welt
Bereits 2017 hatte Nordex die neue Delta4000-Plattform vorgestellt, eine neue Turbinengeneration, die in ihrer ersten Variante mit bis zu 4,5 MW Nennleistung und einer Nabenhöhe von 125 Metern neue Maßstäbe setzte. Das Fachmagazin „Windpower Monthly” ernannte sie zur „Windkraftanlage des Jahres 2018“.
Aber das Geschäft blieb zäh. Insgesamt €430 Millionen Verlust fuhr Nordex in den drei Jahren ein. Den größten im Jahr 2021, als die Folgen der Corona-Pandemie und Lockdowns voll durchschlugen:
Lockdowns unterbrachen Lieferketten
Seetransporte wurden teurer
Projektinstallationen verzögerten sich
Reisebeschränkungen behinderten Servicetechniker
Dreimal musste sich Nordex in dieser Phase Geld durch die Ausgabe neuer Aktien beschaffen. Knapp €900 Millionen floßen an Nordex zu Preisen zwischen €10 und €19 pro Aktie.
Aber das eigentliche Horrorjahr sollte erst noch kommen.
2022: China macht dicht, Hacker greifen an, am Kapitalmarkt wird es bitter
€350 Millionen Euro musste Nordex 2022 mit dem Verkauf neuer Aktien aufnehmen. Der Preis der zweiten Kapitalerhöhung im Juni signalisierte, wie wenig Vertrauen die Anleger noch in den Windradbauer hatten: €5,90.
Nach Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine sprangen die Rohstoffpreise an: Besonders Stahl und Energie wurden teurer. Nordex musste nun bei höheren Rohstoffpreisen nicht profitable Altverträge abarbeiten.
Fast gleichzeitig legte ein Hackerangriff die IT von Nordex lahm.
Die Deutsche Börse warf das Unternehmen danach aus dem TecDax und dem MDax; es hatte seine Bilanzvorschriften nicht eingehalten. Zum Schaden kam so die Demütigung.
Die EBITDA-Marge brach zusammen: minus 4,3 Prozent. Das Unternehmen verlor Geld bei jedem umgesetzten Euro.
Im Juni dieses Jahres musste Nordex ein Werk in Rostock schließen.
Aber: 2022 deutete sich auch der kommende Turnaround an. Im dritten Quartal des Jahres konnte das Unternehmen Preise durchsetzen, die ein Drittel höher waren als im Vorjahr.
Wie der Turnaround gelang
2024 machte das Unternehmen €296 Millionen Gewinn, bei einer Marge von 4,1%.
Es war ein Strauß von Gründen, der diese Wende möglich machte:
Die unprofitablen Altaufträge aus der Vorinflationszeit waren abgearbeitet. Gleichzeitig verkaufte das Unternehmen immer mehr Turbinen der neuen, profitablen Delta4000-Plattform. 40 GW Leistung hatte Nordex mit dieser Technik bis 2025 verkauft.
Gleichzeitig hatte Nordex mehr Geld in den Kassen, um seine laufenden Geschäfte vorzufinanzieren. Die Kunden zahlten immer größere Beträge auf ihre Aufträge an.
Das Servicegeschäft mit den Turbinen explodierte in den vergangenen Jahren. 2024 steigerte Nordex den Service-Auftragseingang um 114% auf knapp €2 Milliarden. Knapp 40% aller Aufträge hat Nordex im Service-Geschäft akquiriert.
Dieses Servicegeschäft ist hochprofitabel, weil es wiederkehrende Umsätze verschafft, die planbar und langfristig ausgelegt sind. Es macht inzwischen knapp 11 Prozent des Umsatzes aus. Tendenz steigend.
Zuletzt profitierte das Unternehmen natürlich von etwas, was schon zehn Jahre früher hätte durchschlagen müssen: vom Jahrhundert-Trend Windkraft.
Aber gut.
Es bleibt ein Fazit: Nordex baut Windräder und verdient mit ihnen nun auch Geld.
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