Hi Cleantechie!
Dieser Newsletter hilft dir, die wichtigsten Trends, Forschungsdurchbrüche und Geschäftsmodelle der Branche zu verstehen.
Heute zeige ich dir, warum neue Gaskraftwerke uns noch teurer zu stehen kommen werden, als viele denken.
Let’s go!
👋 Neu dabei? Abonniere den Newsletter hier!
Warum die Gaskraftwerke noch teurer werden könnten als gedacht
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat immer wieder betont, dass sehr schnell neue Gaskraftwerke kommen müssten – aber Reiche kommt mit diesem Vorhaben nur langsam voran.
Denn die Europäische Kommission muss zustimmen, dass die Bundesregierung Firmen wie Uniper, RWE oder E.ON Geld für den Bau neuer Gasblöcke geben kann. Stichwort „Beihilferecht“.
Nun hat die Nichtregierungsorganisation Deutsche Umwelthilfe ein Gutachten der internationalen Wirtschaftskanzlei K&L Gates veröffentlicht. Es bestünden laut der Anwälte ganz grundsätzliche rechtliche „Zweifel“ an der Beihilfe.
Gaskraftwerke sollen ihren Betrieb am Markt finanzieren
Diese Diskussion ist für die Energiewende und die Klimaziele wichtig.
Denn die Bundesregierung will nur den Bau der Kraftwerke anreizen, den Betrieb allerdings müssen diese laut Gutachten am Markt finanzieren.
Nur: Große Batteriespeicher drängen auf all die Märkte, auf denen sich auch die neuen Gaskraftwerke finanzieren sollen – und verschlechtern so die Wirtschaftlichkeit dieser neuen Gaskraftwerke noch weiter.
Am Ende steht ein kurioser Befund: Wir subventionieren die klimaschädliche Technologie zulasten der komplett privat finanzierten klimafreundlichen Technologie – die wir sowieso früher oder später in großer Zahl ins Netz integrieren müssen.
Wenig Batteriespeicherleistung senkt die Preise am Markt für alle
Vermutlich unterschätzen viele, wie groß der Einfluss von Batteriespeichern tatsächlich auf einzelne Märkte ist.
Christian Schäfer, Berater und Autor von „Regelleistung Online“, hat 2022 in einer hypothetischen Berechnung für die Vorjahre gezeigt, dass die geringe Summe von 100 MW Batteriespeicherleistung auf allen Märkten große Folgen gehabt hätte.
Wichtiger Kontext: Energieerzeuger und Batteriespeicher können nicht nur im eigentlichen Stromhandel Geld verdienen, sondern auch mit sogenannten Systemdienstleistungen.
Primärregelleistungsmarkt (Abfedern von Laständerung in Sekundenschnelle) –100 zusätzliche MW hätten die Preise um 35 % und 74 % verringert.
Sekundärregeleistungsmarkt (Abfedern in Minutenschnelle) – Preise circa 4 % geringer
Handel am Strommarkt (Day-Ahead, Intraday, kontinuierlicher Intraday) – “Durch den Einsatz eines 100 MW/100 MWh Speichers hätte sich die Spanne zwischen dem minimalen und maximalen täglichen Strompreis um 5,3% verringert. „Dieses Ergebnis ist überraschend, da eine Einheit mit einem Marktanteil von nur 0,5 % den Marktpreis um jeweils etwa 2,5 % nach oben und unten verschieben kann.“
Heute sind deutlich mehr Batterieleistung und -kapazität am Markt. Entsprechend größer sind die Folgen: Die Märkte für Primär- und Sekundärregeleistung sind dicht. Batteriespeicher müssen immer öfter am Arbitragemarkt ihr Geld verdienen.
Christian Schäfer sagte mir: “Die größte Marge erzielt man, wenn man alle Märkte bedienen kann. ‘Cross-Market-Optimierung’ ist das wirtschaftlichste.”
Das zeigt sich bereits in weiter entwickelten Batteriemärkten, wo die Speicher von Systemdiensleistungen („ancillary services“) in den normalen Stromhandel drängen.

Quelle: Financial Times (€)
Speicher drücken dabei die für Gaserzeuger besonders lukrativen Preisspitzen weg.
Je mehr Speicher am Markt sind, desto seltener können Gaskraftwerke zu profitablen Preisen laufen. Weniger Laufzeit bedeutet höhere Kosten pro erzeugter Kilowattstunde.
Aber die neuen Gaskraftwerke sollen ihre Betriebskosten just auf diesem Strommarkt decken, bis es einen Kapazitätsmarkt gibt.
Weil jedes Jahr immer mehr Gigawatt neuer Batteriespeicherleistung ans Netz gehen, verschlechtert sich also die Rentabilität der geplanten subventionierten Gaskraftwerke. Einer Frontier-Economics-Untersuchung zufolge könnten Batteriespeicher den Bedarf an Gaskraftwerken um bis zu 9 GW senken (PDF).
Was die sinkende Wirtschaftlichkeit für die geplanten Gaskraftwerke bedeutet, habe ich bisher noch nirgendwo gelesen. Vielleicht können sie heute noch ihre Betriebskosten am Markt finanzieren, aber was ist in 5 oder 10 Jahren – wenn weitere 20 bis 30 GW Batteriespeicherleistung am Netz sind?
Der Kapazitätsmarkt ist anfällig für politische Manipulationen
Die Bundesregierung plant, die neuen Gaskraftwerke in einen sogenannten Kapazitätsmarkt zu überführen. Darin sollen sie mit anderen Technologien, um die Bereitstellung von Kapazitäten konkurrieren. Die Idee ist, alle Technologien gleichermaßen dafür zu belohnen, dass sie gesicherte Leistung vorhalten.
In anderen Ländern wie Belgien, Italien oder Polen sehen wir bereits heute, wie so ein zentraler Kapazitätsmarkt funktioniert. Die Regierung würde mehrere Faktoren nutzen, um die jeweiligen Technologien zu bewerten.
Bei Batteriespeichern ist u.a. der sogenannte Derating-Faktor wichtig. Der weist die tatsächliche Leistung aus, die ein Speicher liefern kann – und wird zentral festgelegt bzw. angenommen. Ist er hoch, ist das schlecht für Gas. Ist er niedrig, ist das gut für Gas.
Die Bundesregierung hat in die Gaskraft schon investiert („sunk-cost-fallacy“) – zumindest politisches Kapital, den Bau finanzieren ja die Stromkunden. Sie hat also einen Anreiz, diesen Kapazitätsmarkt so zu gestalten, dass er Gaskraft bevorteilt und BESS benachteiligt.
Das ist kein Hirngespinst.
In Polen hat die Regierung den Kapazitätsmarkt zugunsten von Gas manipuliert
Nachdem in Polen im Dezember Batteriespeicher die Auktionen bei einem bereits gesenkten Derating-Faktor von 61 % dominierten, hat die Regierung in der jüngsten Auktion den Faktor auf knapp 13 % gesenkt. Kein Speicher konnte da mithalten. Gas erhielt – wie gewünscht – den Zuschlag.
Den neuen Gaskraftwerken wird es also schwerfallen, sich am Markt zu finanzieren. Gleichzeitig werden sie im Kerngeschäft, dem Vorhalten gesicherter Leistung in einem Kapazitätsmarkt, bei ordentlichen Marktbedingungen zunehmende Konkurrenz durch Batteriespeicher bekommen.
Ich hatte u.a. bei RWE nachgefragt, wie sie als Betreiber zukünftiger Gaskraftwerke unter diesen Rahmenbedingungen ihre Anlagen finanzieren wollen, aber bis jetzt keine Antwort erhalten. Das Wirtschaftsministerium wollte nichts mitteilen, bevor die Ausschreibungsbedingungen festgezurrt sind.
Ohne diese Antworten liegt ein Schluss nahe: Die Stromkunden werden den Bau der Gaskraftwerke finanzieren und später auch ihren Betrieb – das wäre kein Zuschuss mehr, sondern risikofreie Vollförderung.
Es droht nicht nur ein fossiler Lock-In, sondern auch ein Subventions-Lock-In.
Hast du Anmerkungen? Antworte direkt oder nutze die Kommentarsektion.
🍏 Warum dieser Artikel kostenlos war
Ich hatte eigentlich vor, diesen Artikel nur für Generator- und Booster-Mitglieder hinter einer Paywall zu veröffentlichen. Aber als ich fertig war, wurde mir klar: Dieser Artikel ist auch für Menschen wichtig, die nicht in der Branche arbeiten. Deswegen gebe ich ihn frei für alle.
Das geht nur, weil ich 191 zahlende Mitglieder habe.
Sie geben mir die Freiheit:
Zeit in solche Recherchen zu investieren
Selbst zu entscheiden, was frei zugänglich sein soll
Nicht jeden Artikel auf maximale Reichweite und Monetarisierung trimmen zu müssen
unabhängig zu arbeiten
Wenn du findest, dass solche Arbeit existieren sollte:
Du bezahlst nicht nur für Premium-Content. Du ermöglichst mir, wichtige Artikel auch mal kostenlos zu machen.
Die wichtigen News
Nachrichten, über die die Branche gerade spricht.
🌊 Wasserkraft
EnBW baut deutschlandweit einmaligen unterirdischen Kavernenwasserspeicher im Berg bei Forbach (dpa)
🔋 Batterietechnologie
Base Power sammelt 1 Milliarde Dollar für Heimspeicher-Markt in den USA (TechCrunch)
The BESS Company bringt Zink-Polyiodid-Redox-Flow-Batterien mit 20-fach höherer Energiedichte auf den Markt (t3n)
Silizium-Anoden für Lithium-Ionen-Batterien – Technologieüberblick und Marktentwicklung (Intercalation Station)
Innovationsausschreibung vierfach überzeichnet – alle 33 Zuschläge für Photovoltaik-Speicher-Kombinationen (pv-magazine)
Lyten plant nach Northvolt-Übernahme kleinere Fabrik in Heide mit 1.000 statt 3.000 Arbeitsplätzen (electrive)
Schoenergie nimmt ersten netzdienlichen Batteriespeicher mit netzbildenden Wechselrichtern in Betrieb (ZfK)
Stadtwerke Villingen-Schwenningen investieren 10 Millionen Euro in Großbatteriespeicher (ZfK)
☀️ Solarenergie
Forscher entwickeln Solarzelle mit Goldkristall-Nanostrukturen für erhöhte Effizienz (Focus)
🌬️ Windenergie
Neue Technologie könnte Offshore-Winds größten Feind durch Kabel-Monitoring eindämmen (Rechargenews)
Deutscher Windturbinenhersteller meldet Insolvenz an (Rechargenews)
Nordex erhält Großaufträge und treibt Aktie auf Höhenkurs (InvestmentWeek)
Octopus Energy führt eigenen Tarif für Nachbarn von Windrädern ein (Energie und Management)
⚡ Netztechnologien
Letzte Genehmigung für Stromtrasse SuedLink erteilt (Zeit)
Netzbetreiber wollen Speicher-Boom eindämmen (Handelsblatt)
Festkörpertransformatoren steigern Effizienz beim Laden von Elektrofahrzeugen (IEEE Spectrum)
♨️ Geothermie
Hessisches Dorf erreicht Klimaziele 2045 ohne Gebäudesanierung durch Solarthermie und Wärmespeicher (Ingenieur)
🧱 Baustoffe & Dämmung
Acht verbreitete Irrtümer über Dämmung im Faktencheck (Handelsblatt)
🚗 Mobilität
Deutschland verbündet sich mit Italien gegen EU-Verbot von Verbrennermotoren ab 2035 (Euractiv)
♻️ Recycling
Industrie fordert Rücknahme der teuren Elektroschrott-Abgabe (Euractiv)
🌍 Klimawissenschaft
IEA: Erneuerbare Energien erzeugen erstmals mehr Strom als Kohle (Tagesschau)
📈 Markt & Politik
BMWE-Staatssekretär kündigt Kapazitätsmarkt für Ende 2027/Anfang 2028 an (Energie und Management)
Deutsche Umwelthilfe hält Reiches Gaskraft-Pläne für rechtswidrig (taz)
Jobs & Deals
👀 Keine Deals diese Woche.
👉 Für Arbeitgeber: Buche eine Stellenanzeige für dein Unternehmen hier.
👉 Für Arbeitnehmer: Diese Liste von Portalen für grüne Jobs hilft beim Suchen.
Der letzte Link
Offensichtlicher Unfug über Energiesparen. Ich habe auch niemanden gefunden, der es im Ernst postet. Aber witzig ist es trotzdem.
🙏 Wenn dir dieser Newsletter gefällt: Teile ihn mit Kollegen oder Freunden! Per Mail, auf LinkedIn oder Bluesky.
👋 „Im Internet weiß niemand, dass du ein Hund bist.“ Nicht nur, aber vor allem für solche Überschriften liebe ich den neuen Newsletter von Theresa Bäuerlein. Darin zeigt sie dir, wie du nicht den Verstand verlierst. Abo-Empfehlung!
Rico Grimm
