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Ein Verband gegen 863 „Königreiche“
Heliokraft-Chef Michael Zapf gründet Initiative gegen ineffiziente Netzbetreiber. Sein Ziel: Einheitliche Standards statt Kleinstaaterei bei Netzanschlüssen.
Hi Cleantechie!
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🔍 Der schnelle Überblick: Der Projektierer Heliokraft warnt: Netzanschlüsse werden zu einem Bremsklotz der Energiewende. Deswegen gründet die Firma jetzt einen Bundesverband Netzanschluss, „um die Interessen der Anschlusswilligen gegenüber der Übermacht der Netzbetreiber besser vertreten können.“
Ich habe mit Michael Zapf, dem Geschäftsführer der Firma, gesprochen. Er hat die Gründung mit einem LinkedIn-Post angestoßen.
Was hat er erlebt, um diesen Schritt zu gehen?
Auch in den guten Links geht es um die Politik. Die Bundesnetzagentur arbeitet an Plänen, die vor allem private Betreiber von Solaranlagen treffen könnten.
Let's go!
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Er sagte: „Sobald ich etwas regelmäßig lese, bezahle ich dafür. Als der dritte Newsletter von dir kam, habe ich mich gefragt, wo ist denn hier der Abo-Knopf?“
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Was Michael Zapf mit den Netzbetreibern erlebt hat
Heliokraft hat bisher über 100 Netzanschlussfragen gestellt, davon ca. 20–30 Projekte (Aufdach-PV, Freiflächen-PV, Batteriespeicher) auch realisiert. Nach Aussage von Geschäftsführer Michael Zapf habe die Firma dabei mit allen „größeren Netzbetreibern zu tun gehabt“.
Der Vorwurf in Kürze: Die 863 deutschen Netzbetreiber nutzen ihre Monopolstellung aus – mit weitreichenden Folgen für die Energiewende:
Arroganz und Ineffizienz: „Ich bin den Netzbetreibern ausgeliefert. Das wissen die natürlich und deswegen verhalten sie sich wie Könige in ihrem Königreich“, sagt Zapf. Besonders kritisch sieht er die großen Player: „Ganz schlimm sind Westnetz und Mitnetz. Sie agieren wie starke Behörden und sind völlig unreformierbar. Bei ihnen weißt du, du bist einfach nur ein lästiger Bittsteller und Kostenfaktor. Sie treten arrogant auf und sind von einem Gottkomplex geprägt.“
Michael Zapf beschreibt, was er erlebt hat:
Avacon: Antrag seit Oktober unbearbeitet. Keine Rückmeldung per Mail oder Telefon.
Westnetz: Zusage für Netzanschlusspunkt wird einseitig geändert, nachdem der Bau der Anlage bereits begonnen hat. Der neue Anschluss wäre auf einer höheren Spannungsebene und 400 Meter weit weg gewesen – Westnetz nimmt die Änderung erst zurück, nachdem sich Zapf auf LinkedIn beschwert.
Stadtwerke Mannheim: Verlangen öffentlich verfügbare Unterlagen → einstweilige Verfügung nötig.
Generell die Kommunikation: Häufig nur per Brief – in Zeiten prinzipiell digitaler Verwaltung ein Anachronismus.
Der größere Zusammenhang: Je länger ein Netzanschluss dauert, desto teurer und damit auch unwahrscheinlicher wird das jeweilige Projekt. Bürokratie bremst die Energiewende aus.
Beispiel: Allein im Segment der großen Batteriespeicher, die eine zentrale Rolle im Erneuerbaren-Stromnetz spielen, lagen Anfang des Jahres Hunderte Anfragen mit über 336 GW angefragter Leistung vor. Jede einzelne Anfrage müssen die Netzbetreiber bearbeiten.
Erst danach kommt ein Bau überhaupt in Frage. In der Zwischenzeit fallen aber Kosten für Planung, Personal und eventuell auch Finanzierung an.
Systemische Probleme: Allerdings sei laut Michael Zapf nicht nur das Auftreten der Netzbetreiber ein Problem. Auch fehlende Standardisierung treibe die Kosten. Die bestehenden Vorschriften und Regularien (z. B. europäischer Grid Code, deutsche Netzanschlussverordnungen, VDE-Standards) werden durch individuelle Anforderungen der Netzbetreiber weiter verkompliziert.
„Um im ganzen Bundesgebiet tätig sein zu können, muss ich 863 technische Anschlussbedingungen lesen und erfüllen. Jeder Netzbetreiber kocht sein eigenes Süppchen. Dabei ist die Physik für jeden gleich.“

Karte aller der deutschen Netzbetreiber. Quelle: Enet
Unterschiedliche Standards führen dazu, dass jeder Bau in bestimmten Details eine Sonderanfertigung wird.
„Im Prinzip hast du jedes Mal Sondermaschinenbau.“
Zapf, der auch in Indien tätig ist, sagt:
„Mittelspannungsstationen kosten in Deutschland €100.000 bis €150.000, obwohl der Materialwert bei vielleicht €25.000 liegt. Eine Mittelspannungsschaltanlage, die in Deutschland €35.000 kostet, kostet in Indien €5.000. Das zeigt, wie ineffizient unsere Prozesse sind.“
Der rechtliche Hebel: Die Netzbetreiber bilden sogenannte natürliche Monopole. Der Staat reguliert sie entsprechend engmaschig. Im Rahmen des EEG zum Beispiel können Projektierer mit klaren Fristen und einstweiligen Verfügungen arbeiten, um Druck auf die Netzbetreiber zu machen. Aber Klagen muss man sich leisten können. Prozesse kosten Geld, binden Aufmerksamkeit und Mitarbeiter.
Der Blick der Netzbetreiber: Angesichts der Flut von Anschlussfragen sprachen die Übertragungsnetzbetreiber selbst von einem „Tsunami“. Sie stellen gerade freiwillig ihre Prozesse um. Fraglich ist, ob das reicht.
Wo ein Interessenverband ansetzen kann
Das Ziel von Zapf ist es, Projektierer zu vernetzen. Es gäbe bereits 15 Interessenten – genug für die Gründung.
An drei Punkten könne der neue Verband ansetzen, um den Anschluss zu beschleunigen:
Vernetzung, Erfahrungsaustausch und im Zweifel auch gemeinsam bereits bestehende rechtliche Instrumente nutzen, um Netzbetreiber zur Einhaltung von Fristen zu zwingen.
Digitalisierung: Abschaffung von papierbasierten Prozessen zugunsten digitaler, maschinenlesbarer Formate. Einheitliche Standards für Netzanschlussanfragen sollen geschaffen werden, um den Aufwand für Projektierer und Netzbetreiber zu reduzieren.
Standardisierung technischer Prozesse: Einführung einheitlicher technischer Anschlussbedingungen.
🍏 Was ich denke
Hast du Anmerkungen zu meiner Einschätzung? Antworte direkt per Mail oder nutze die Kommentarsektion.
Die Netzbetreiber sind Monopolisten – die die Gesellschaft ertragen muss, weil niemand echten Wettbewerb hier wollen kann. Der würde parallele Netze bedeuten.
Aber die Gesellschaft muss nicht tatenlos dabei zusehen, wie genau Monopolisten ihre Aufgabe erfüllen.
Sie härter als andere Marktteilnehmer zu kontrollieren, zu fordern und zu regulieren, ist keine Gängelung, sondern Notwendigkeit. Zu groß ist die Versuchung als Monopolist gelegentlich mal in der Anstrengung nachzulassen.
In diesem Sinne sehe ich die Verbandsgründung als ehrenwert, aber nicht zufriedenstellend. Dafür zu sorgen, dass mehr als 850 Netzbetreiber einheitliche, digitalisierte Standards entwickeln, ist die Aufgabe des Staates, nicht der Privatwirtschaft.
👉️ Steige tiefer ein
Mein Text: Anfragentsunami – so viele Batteriespeicher werden wirklich kommen
Buchempfehlung, umständlich geschrieben, aber faktensatt: Energiewirtschaft für (Quer-)Einsteiger: Einmaleins der Stromwirtschaft von Marcel Linnemann
Die guten Links
Deep Dives, die deine Zeit wert sind.
☀️ ✊ Die Bundesnetzagentur überlegt, private Solaranlagenbetreiber Netzentgelte zahlen zu lassen, wenn sie einspeisen. Gegen dieses Gedankenspiel sammelt sich schon jetzt Widerstand, angeführt vom Youtuber Akkudoktor. Hier gehts zur Petition. Egal, ob man unterschreibt oder nicht, die Argumentation ist interessant.
📈 Der US-Thinktank RMI hat den neuesten Report der Int. Energieagentur IEA zu globalen Energieinvestments gelesen. Nützliche Zusammenfassung. Zwei Zahlen stachen für mich heraus:
Für jeden Dollar in Fossil-Investitionen gibt es 12 Dollar Investitionen in saubere Energie
Afrika hat 20% der globalen Bevölkerung, bekommt aber nur 2% der globalen Cleanenergy-Investments
⚡️ Interessant: LEW Verteilnetz und Bayernwerk erproben eine sogenannte Einspeisesteckdose. Sie bündeln Wind, Speicher und Solar hinter einem einzigen Netzanschluss – in der Hoffnung, dass sich die drei Elemente gut ergänzen und der Bauprozess schneller abläuft. Mehr bei Golem.
📗 Für die Bookmarks: Was du über die Klimawirkung von menschengemachten Aerosolen wissen musst. Guter Explainer bei Carbon Brief.
Die wichtigen News
Nachrichten, über die die Branche gerade spricht.
☀️ Solarenergie
Britische Regierung schreibt Photovoltaik-Pflicht für neue Häuser in England vor (PV-Magazine)
Sonniges Griechenland kämpft mit Solarenergie (TechXplore)
Marktwert Solar sinkt im Mai unter 2 Cent (PV-Magazine)
🔋 Batterietechnologie
Econergy erwirbt zwei Batteriespeicher mit 200 Megawattstunden in Deutschland (PV-Magazine)
Reconcept begibt Energiespeicher-Anleihe (PV-Magazine)
Wie in Mission Impossible: Selbstzerstörende Bakterienbatterie (Chemie)
🌬️ Windenergie
Deutschland kann sein Ausbauziel von 115 Gigawatt im Jahr 2030 erreichen (Goal 100
Offshore-Wind: Todesfälle und Verletzungen nehmen zu angesichts neuer und sich entwickelnder Risiken (RechargeNews)
⚡ Netztechnologien
Enpal gegen Vorschläge für Smart Meter Light (PV-Magazine)
Abwärme aus Rechenzentrum soll 5.000 Berliner Haushalte versorgen (Energie und Management)
🧱 Baustoffe & Zement
Zement aus CO₂: Forscher holen Baustoff direkt aus der Luft (Smartup News)
Brüssel wird beschuldigt, klimafreundliche Zementhersteller zu blockieren (Euractiv)
♻️ Plastik & Recycling
Innovative Recyclingmethode für Seltene Erden aus Elektrolyseuren (Chemie)
Rubinmühle nutzt Haferschalen zur Prozessdampferzeugung (Solarserver)
⚛️ Atomkraft & Kernfusion
Kernfusion: Erstmalig Tritium durch neue Fusionsreaktion hergestellt (Golem)
Sizewell C: London gibt 17 Milliarden Euro für neues Mega-AKW frei (n-tv)
Weltbank beendet Verbot von Atomenergieprojekten, debattiert noch über Upstream-Gas (Reuters)
Europäische Strompreise steigen wegen neuer Sorgen um Korrosion französischer Reaktoren (Bloomberg)
🚗 Automobil
🧪 Wasserstoff
Energie für Europa: Kritik in Tunesien an Wasserstoffplänen (Deutschlandfunk)
🌊 Tiefseebergbau
Tiefseebergbau: Kanadische Firma weist EU-Moratoriumsaufruf zurück (Euractiv)
🔧 Andere Technologien
Zukunft des Heizens: Specksteinspeicher trotzt dem finnischen Winter (Golem)
Brenntag eröffnet ersten CO₂-emissionsfreien Chemiedistributions-Standort (Chemie)
Warum die globale Fläche für nachwachsende Bäume 71 % kleiner ist als gedacht (CarbonBrief)
📈 Marktentwicklungen & Politik
🌍 Klimawissenschaft
Kollaps der Meeresströmung könnte trotz globaler Erwärmung zu starker Abkühlung in Nordeuropa führen (CarbonBrief)
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…& Deals
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💶 Batterien: Voltfang aus Aachen erhält 15 Millionen Euro in einer Series-B-Runde, angeführt von FORWARD.One. 23 offene Stellen.
💶 KI-Wetter-Prognose: Jua aus Zürich/Pfäffikon sichert sich 11 Millionen US-Dollar in einer Series-A-Runde, angeführt von Ananda Impact Ventures. Eine offene Stelle.
💶 Gewerbe-Energie: Co-Power, München, 6,4 Millionen Euro in einer Seed-Runde, angeführt von Cherry Ventures. Keine offenen Stellen.
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